Methoden organisationsübergreifender Zusammenarbeit (am Beispiel der AG Hochschulaktenplan 2020/2021)

Aus Agiles Verwaltungswissen
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Könnte das ein Modell werden?

Viele Verwaltungen stoßen - gerade auch im Rahmen von Digitalisierungsprojekten - auf ähnliche Herausforderungen. Eigentlich würde es sich anbieten, diese Aufgaben gemeinsam anzugehen, um Lösungen schneller und vor allem besser zu erarbeiten. Aber uneigentlich passiert es dann doch praktisch nie, und entweder laboriert jede Projektgruppe isoliert vor sich hin oder sie versucht, Lösungen "von der Stange" einzukaufen. Also z.B. einfach eine Software einzuführen, die vom jeweiligen Rechenzentrum des Bundeslandes empfohlen wird und die verspricht, die Mühe der Erarbeitung eines eigenen Anforderungskatalogs zu ersparen.


Seitens des Forums Agile Verwaltung haben wir mehrere Versuche unternommen, kooperative Plattformen anzubieten und in entsprechende Gruppen einzuladen. Diese Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt, zumindest nicht bis Sommer 2020. Dann gründete sich auf einmal eine "Arbeitsgruppe Hochschul-Aktenplan" - und die arbeitete erfolgreich. Und vielleicht kann die dort gefundene Arbeitsweise ja als Rahmenmodell herhalten, um auch andere Problemstellungen gemeinsam anzugehen.


Wir wollen die Arbeitsgruppe Hochschul-Aktenplan hier also vorstellen nicht von ihrem Ergebnis her (wie der Aktenplan aussieht und wozu er gut ist), sondern ihre Arbeitsweise betreffend.

Anlass

Im August 2020 erreichten uns vom FAV zwei Anfragen von Leser:innen unseres Blogs, die sich nach einem Muster-Aktenplan für Hochschulen erkundigten. Wir mussten antworten, dass wir ein solches Muster leider nicht vorliegen hätten. Weil die Anfragen aber unabhängig von einander eintrafen, wurden wir hellhörig: Lag da vielleicht ein größerer Bedarf vor? Wir beschlossen, den Vorschlag zu machen, eine Arbeitsgruppe zu gründen. Und diesen Vorschlag machten wir den beiden interessierten Hochschulen und verbreiteten ihn aber zusätzlich über unseren Blog und einen Newsletter.

Start und Arbeitsweise

Auf den Aufruf meldeten sich 26 Interessent:innen aus 18 Hochschulen aller Größenordnungen und vieler Bundesländer.

Wir luden zu einem ersten Kontakttreffen ein, das am 28.09.2020 stattfand. 19 Teilnehmer waren anwesend. Wir machten eine Vorstellungsrunde und verteilten uns in drei Breakout-Rooms in Arbeitsgruppen, die jeweils Ideen für eine Visionsformulierung der AG sowie für einen Scope des Projekts sammelten. Die Ergebnisse wurden vorgestellt und ein fester Rhythmus für Folgetreffen vereinbart. Wir wollten uns alle 14 Tage zwei Stunden von 17-19 Uhr treffen und am Aktenplan arbeiten.

Folgende Festlegungen wurden dann auf dem ersten Treffen 14 Tage später getroffen:

  • Der erarbeitete Rahmenaktenplan sollten allen Hochschulen zur Verfügung gestellt werden, nicht nur den an der AG beteiligten. Mit dieser Open-Source-Strategie sollte auch ein klares Statement zu agilen Werten getroffen werden.
  • Die Treffen wurden moderiert von zwei FAV-Mitgliedern, die über Expertenwissen auf dem Gebiet von Aktenplänen verfügen.
  • Die Zahl der Treffen sollte begrenzt werden auf 6 Montage (6 "Sprints") im 14-Tage-Abstand. Dafür wurde ein Releaseplan erstellt.
  • Die Vision sah die Erarbeitung eines prozessorientierten Aktenplans vor. Das Interesse einiger Teilnehmer:innen, für ihre Hochschulen einen klassisch-objektorientierten Aktenplan zu erstellen, konnte im Rahmen dieser AG nicht abgedeckt werden.
  • Laut Scope-Festlegung sollte das Ergebnis auf einen Rahmenaktenplan (Hierarchiestufen 1 und 2) sowie eine Ideensammlung für Stufe 3 (die eigentliche Prozessebene) begrenzt werden. Dazu kamen ein Glossar, ein Berechtigungskonzept (für die digitale E-Akte) sowie Handreichungen für die Einführung des Aktenplans an der eigenen Hochschule.
  • Die FAV-Moderatoren würden die ersten Treffen ehrenamtlich veranstalten. Ab dem 4. Sprint sollte eine geringe Teilnahmegebühr erhoben werden.

Realität

Die Vorgaben konnten im Wesentlichen eingehalten werden. Allerdings wurden es am Ende 10 statt der geplanten 6 Arbeitstreffen. Die AG beendete ihre Arbeit erfolgreich mit dem letzten Treffen am 1. März 2021. Das Ergebnis kann auf dieser Website besichtigt werden. Hinzu kamen allerdings "unverbindliche Arbeitstreffen", die ab der 4. Sitzung zusätzlich stattfanden, und zwar an den "freien" Montagen zwischen den 14-Tages-Terminen. Diese Treffen waren aus der Gruppe heraus initiiert worden. Der Arbeitsaufwand für die Beteiligten war also erheblich. Alles in allem 18 Treffen à 2 Stunden, und außerdem leisteten einige Teilnehmer:innen Zuarbeiten zu den Treffen. War der Aufwand geringer, als wenn er isoliert in der eigenen Hochschule erfolgt wäre? Endgültige Aussagen sind noch nicht möglich. Eine Schlussumfrage steht noch aus. Aber die Arbeitsgruppe war überraschend stabil. Am Anfang fand der übliche Schwund statt. Aber nach ca. 3 Treffen blieb eine ganz stabile Gruppe von ca. 10 Teilnehmenden (zuzüglich der beiden FAV-Moderatoren) übrig, die einen guten Arbeitsrhythmus fand.

Erfolgsgründe

Warum klappte diese AG, während andere Kollaborationsformate in der Vergangenheit die Gründungsphase nicht überlebt hatten?

Wir sehen folgende Faktoren:

  • Klares Ziel. Gemeinsame Hinarbeit auf ein fest umrissenes Produkt hin ohne Perfektionsanspruch ("Rahmenaktenplan, der von der einzelnen Hochschule noch angepasst werden muss"). Keine Philosophie der "best practice", sondern der "good practice".
  • Überschaubarer Zeitrahmen. Ursprünglich von Oktober bis Ende Januar, im Ergebnis dann von Oktober bis Anfang März.
  • Damit kein unbegrenztes Commitment der Beteiligten, sondern ein individuell eingrenzbares Zeitbudget, das aufgewendet werden musste.
  • Das Gefühl der Teilnehmenden, schnell erhebliches Wissen aufzubauen. Der Aufwand, der in die Produkt-Erarbeitung floss, war natürlich größer als bei denjenigen, die einfach das Ergebnis von dieser Wissensplattform abgreifen wollen. Aber der Ertrag, das ganz tiefe und detaillierte Wissen um die Funktion eines digitalen Aktenplans in einer Organisation, war eben auch um ein Vielfaches höher als bei passivem Konsum.
  • Es stellte sich bald ein sehr positives Teamgefühl ein. Es gibt für Menschen fast nichts Motivierenderes, als in einem selbstorganisierten Team - weitgehend ohne Konkurrenzgebaren - entspannt und gelöst auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Das trat in dieser AG sehr deutlich zutage.

Mal sehen; vielleicht können wir für künftige Fragestellungen in Verwaltungen daraus Lehren ziehen.