Silodenken und Siloablage

Aus Agiles Verwaltungswissen
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Wenn man sich die Dateiablage von durchschnittlichen Verwaltungen anschaut (also Verwaltungen, die noch kein DMS eingeführt haben), dann ist sie meistens am Organigramm orientiert. Jedes Amt oder jeder Fachbereich oder sogar jedes Sachgebiet hat "sein" Laufwerk oder "seinen" Ordner. Darauf haben nur die Mitarbeiter*innen dieser Organisationseinheit Zugriff und die der Nachbarbereiche nicht.



Ablage nach Organigramm ("Siloablage")

Im Kern hat das Filesystem unter Windows die alte "Sachbearbeiterablage" wiederholt: jeder Sachbearbeiter hat "seine" Akten im Zimmer oder bestenfalls in einer Registratur des Sachgebiets. Aber diese Logik entstammt der Papierwelt. In der Papierwelt kann immer nur ein Mensch gleichzeitig eine Akte bearbeiten, alles andere wäre extrem zeitaufwendig. Aber diese Einschränkung gibt es in der digitalen Welt nicht mehr: jetzt können theoretisch mehrere Menschen gleichzeitig im gleichen Ordner arbeiten - mittlerweile sogar im gleichen Dokument.

Und sie müssen auch zunehmend zusammenarbeiten. Die Abbildung zeigt, dass die Prozesse zunehmend "quer" zu den Silos verlaufen. An immer mehr Aufgaben sind mehrere Bereiche beteiligt. Wenn diese Bereiche aber keinen Zugriff auf gemeinsame Ordner ("Akten") haben, dann müssen sie die Dokumente per E-Mail austauschen. Das macht einen gigantischen Aufwand:

  • Das Hin- und Herschicken von Dokumenten per E-Mails ist völlig unproduktiv.
  • Es führt dazu, dass vom gleichen Dokument mehrere Versionen in mehreren Datei-"Silos" gehalten werden. Bald weiß niemand mehr, welche Version die aktuelle ist.
  • Und gleichzeitig sind die Akten unvollständig, weil jedes Amt „seine“ Vorgangsakte führt und viele Mails gar nicht zur Akte genommen werden.
Erhebung Mailaufkommen.jpg



Die Zahl der E-Mails ist gigantisch und die Beschäftigung mit ihnen nimmt einen großen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Die Tabelle in der Abbildung entstammt einer empirischen Erhebung in einer Stadtverwaltung im Jahre 2019. In diesem waren 71% der E-Mails intern versendet worden, von Kollegen an Kollegen – schätzungsweise 5,3 % der Arbeitszeit wurden allein für das „Checken“ dieser Mails verwendet – von der Bearbeitung ganz zu schweigen.



<o:p></o:p>Für die Einführung der E-Akte kann das nur bedeuten, dass wir dem Streben nach „Schnelligkeit“ bei der einzelnen Tätigkeit auf Mikroebenesehr skeptisch gegenüberstehen müssen. Prozessoptimierung muss immer „mit demBlick von oben“ gedacht werden, als End-to-End-Optimierung. Also erst einmalfragen: „Können wir die internen E-Mails abschaffen? Oder zumindest erst einmalden internen Dokumentenversand?“ statt: „Wie können wir E-Mails schnellerablegen?“ – Die letztere Anforderung gibt die spontanen Wünsche vieler Anlegerwieder. Aber sie ist trotzdem nur bedingt zielführend, und Projektleiter müssenüber den lokalen Tellerrand hinausblicken.<o:p></o:p>