Aktenrelevanz: Unterschied zwischen den Versionen

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== Zum Begriff Aktenrelevanz ==
 
== Zum Begriff Aktenrelevanz ==
Der Begriff Aktenrelevanz ist nirgendwo allgemeingültig definiert. Ebenso wenig gibt es allgemeinverbindliche Hinweise, wie die Aktenrelevanz von Dokumenten festgestellt werden kann.  
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Der Begriff Aktenrelevanz ist leider nirgendwo allgemeingültig definiert. Er ergibt sich vielmehr aus verschiedenen rechtlichen Regelungen.
Bisher gibt es keine allgemeingültige, (regierungs)amtliche Definition des
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Begriffes. Allen bisherigen Ansätzen liegen die folgenden wesentlichen Überlegungen zu Grunde:
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* Für die Abwicklung von Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz der „Nichtförmlichkeit des Verfahrens“ (§ 10 VwVfG, § 9 SGB X). Danach können Vorgänge/Geschäftsvorfälle und Verfahrenshandlungen formfrei abgewickelt werden, soweit Rechtsvorschriften keine besondere Form (insbesondere Schriftform) vorschreiben.
Für die Abwicklung von Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz
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* Der Grundsatz der Aktenmäßigkeit verpflichtet die öffentliche Verwaltung, Akten zu führen und darin ihr Handeln vollständig, nachvollziehbar und transparent zu dokumentieren. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG fixiertem Rechtsstaatsprinzip, dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 24 VwVfG) und dem Anspruch auf Akteneinsicht (beispielhaft § 29 VwVfG und den entsprechenden Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern) ab.
der „Nichtförmlichkeit des Verfahrens“ (§ 10 VwVfG, § 9
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* Alle bedeutsamen Geschäftsvorfälle sind mit ihren entscheidungserheblichen Dokumenten sowie Bearbeitungsschritten zur Beweissicherung und Beweisführung in mit eigenen Akten-/ Geschäftszeichen versehenen Akten bzw. Vorgängen zu dokumentieren und unveränderlich aufzubewahren (vgl. z. B. § 99 VwGO).
SGB X). Danach können Geschäftsvorfälle und Verfahrenshandlungen formfrei abgewickelt werden, soweit Rechtsvorschriften keine besondere Form (insbesondere Schriftform) vorschreiben.
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* Soweit sich die Bedeutsamkeit der Dokumente nicht bereits unmittelbar aus einzuhaltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergibt, beurteilt sich die Bedeutsamkeit (Relevanz) der in den Akten und Vorgängen vorgehaltenen Dokumente insbesondere nach den
Der Grundsatz der Aktenmäßigkeit verpflichtet die öffentliche
 
Verwaltung, Akten zu führen und darin ihr Handeln vollständig,
 
nachvollziehbar und transparent zu dokumentieren. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG fixiertem Rechtsstaatsprinzip, dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. §
 
24 VwVfG) und dem Anspruch auf Akteneinsicht (beispielhaft § 29
 
VwVfG und den entsprechenden Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern) ab.
 
Alle bedeutsamen Geschäftsvorfälle sind mit ihren entscheidungserheblichen Dokumenten sowie Bearbeitungsschritten zur Beweissicherung und Beweisführung in mit eigenen Akten-/ Geschäftszeichen versehenen Akten bzw. Vorgängen zu dokumentieren und
 
unveränderlich aufzubewahren (vgl. z.B. § 99 VwGO).
 
Soweit sich die Bedeutsamkeit der Dokumente nicht bereits unmittelbar aus einzuhaltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergibt, beurteilt sich die Bedeutsamkeit (Relevanz) der in den Akten
 
und Vorgängen vorgehaltenen Dokumente insbesondere nach den
 
 
folgenden Kriterien:
 
folgenden Kriterien:
o Eingriffe in Rechte Dritter
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* Eingriffe in Rechte Dritter
o Prozessrisiko
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* Prozessrisiko
o Haushalterische bzw. finanziell wirksame Maßnahmen
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* Haushalterische oder finanziell wirksame Maßnahmen
o Nachweis der ausgeübten und tradierten Verwaltungspraxis
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* Nachweis der ausgeübten und tradierten Verwaltungspraxis
o Dokumentation und Rechtfertigung des Handelns der Beschäftigten gegenüber Vorgesetzten und Dritten
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* Dokumentation und Rechtfertigung des Handelns der Beschäftigten gegenüber Vorgesetzten und Dritten
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Daraus wird folgender Grundsatz abgeleitet:
 
Daraus wird folgender Grundsatz abgeleitet:
Dokumente sowie die zugehörigen entscheidungserheblichen Bearbeitungsschritte sind dann aktenrelevant, wenn sie zum späteren
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Dokumente sowie die zugehörigen entscheidungserheblichen Bearbeitungsschritte sind dann aktenrelevant, wenn sie zum späteren
Nachweis der Vollständigkeit, zur Nachvollziehbarkeit und für die
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Nachweis der Vollständigkeit, zur Nachvollziehbarkeit und für die Transparenz des Verwaltungshandelns innerhalb der Verwaltung als
Transparenz des Verwaltungshandelns innerhalb der Verwaltung als
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auch gegenüber Dritten beweisfest vorzuhalten sind. Unter Beweisfestigkeit wird hierbei die langfristige, unveränderliche Lesbarkeit und
auch gegenüber Dritten beweisfest vorzuhalten sind. Unter Beweisfestigkeit wird hierbei die langfristige, unveränderliche Les- und
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Nutzbarkeit verstanden.
Nutzbarkeit verstanden.
 
  
  

Version vom 13. Dezember 2020, 22:35 Uhr

Stand: 13.12.2020
Letzte Bearbeitung: Peter.Bauer


Diese Arbeitshilfe beruht auf dem Grundsatzpapier des KoopA-ADV zur Aktenrelvanz.

Zum Begriff Aktenrelevanz

Der Begriff Aktenrelevanz ist leider nirgendwo allgemeingültig definiert. Er ergibt sich vielmehr aus verschiedenen rechtlichen Regelungen.

  • Für die Abwicklung von Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz der „Nichtförmlichkeit des Verfahrens“ (§ 10 VwVfG, § 9 SGB X). Danach können Vorgänge/Geschäftsvorfälle und Verfahrenshandlungen formfrei abgewickelt werden, soweit Rechtsvorschriften keine besondere Form (insbesondere Schriftform) vorschreiben.
  • Der Grundsatz der Aktenmäßigkeit verpflichtet die öffentliche Verwaltung, Akten zu führen und darin ihr Handeln vollständig, nachvollziehbar und transparent zu dokumentieren. Dieser Grundsatz leitet sich aus dem in Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG fixiertem Rechtsstaatsprinzip, dem Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 24 VwVfG) und dem Anspruch auf Akteneinsicht (beispielhaft § 29 VwVfG und den entsprechenden Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze von Bund und Ländern) ab.
  • Alle bedeutsamen Geschäftsvorfälle sind mit ihren entscheidungserheblichen Dokumenten sowie Bearbeitungsschritten zur Beweissicherung und Beweisführung in mit eigenen Akten-/ Geschäftszeichen versehenen Akten bzw. Vorgängen zu dokumentieren und unveränderlich aufzubewahren (vgl. z. B. § 99 VwGO).
  • Soweit sich die Bedeutsamkeit der Dokumente nicht bereits unmittelbar aus einzuhaltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften ergibt, beurteilt sich die Bedeutsamkeit (Relevanz) der in den Akten und Vorgängen vorgehaltenen Dokumente insbesondere nach den

folgenden Kriterien:

  • Eingriffe in Rechte Dritter
  • Prozessrisiko
  • Haushalterische oder finanziell wirksame Maßnahmen
  • Nachweis der ausgeübten und tradierten Verwaltungspraxis
  • Dokumentation und Rechtfertigung des Handelns der Beschäftigten gegenüber Vorgesetzten und Dritten

Daraus wird folgender Grundsatz abgeleitet:

Dokumente sowie die zugehörigen entscheidungserheblichen Bearbeitungsschritte sind dann aktenrelevant, wenn sie zum späteren
Nachweis der Vollständigkeit, zur Nachvollziehbarkeit und für die Transparenz des Verwaltungshandelns innerhalb der Verwaltung als
auch gegenüber Dritten beweisfest vorzuhalten sind. Unter Beweisfestigkeit wird hierbei die langfristige, unveränderliche Lesbarkeit und
Nutzbarkeit verstanden.


Allgemeines

Alle wesentlichen das Verfahren, die Sachverhaltsermittlung und die Entscheidungsfindung betreffende Fakten, Ereignisse und Überlegungen müssen dokumentiert werden.

  • Mündliche Informationen (insbesondere Besprechungen, Telefongespräche, mündliche Auskünfte), die für die Bearbeitung bedeutsam sein können, sind zu dokumentieren.
  • Inhaltliche Veränderungen an den aktenrelevanten Dokumenten müssen ersichtlich sein, die Änderung und den Urheber erkennen lassen.
  • Die den Bearbeitungszusammenhang und die Entscheidungsfindung beeinflussenden Informationen und Prozessschritte, zum Beispiel
    • Geschäftsgangsvermerke (zum Beispiel Eingangsstempel mit Bearbeitungshinweisen, handschriftliche Notizen und Verfügungen auf Papierdokumenten –hier ist in der Praxis häufig die Reihenfolge nicht ersichtlich, Eingabefenster "Bearbeitungsvermerke" im DMS verwenden)
    • Mitzeichnungen

müssen nachvollziehbar sein.

  • Der chronologische Ablauf der Bearbeitung des Geschäftsvorfalls muss ersichtlich sein. Die einzelnen Dokumente und Bearbeitungsinformationen müssen deshalb innerhalb der Akte beziehungsweise des Vorgangs in zeitlicher Reihenfolge abgelegt werden.
  • Als Ausfluss des Remonstrationsrechts und der Beratungspflicht gegenüber Vorgesetzten müssen Bedenken der bearbeitenden Person hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen in die Akte aufgenommen werden. Dieses gilt auch für den umgekehrten Fall, wenn Mit- oder Schlusszeichnungen begründet abgelehnt werden.

Die nachfolgende Tabelle enthält Beispiele zur Feststellung der Aktenrelevanz:

Tabellarische Übersicht

Aktenrelevant Nicht aktenrelevant
Aufgabenzusammenhang
(warum ist es entstanden)
• Erteilung bzw. Entgegennahme eines dienstlichen Arbeitsaufträge
• Anfragen und Auskünfte
• informelle oder persönliche Kommunikation
• Anfragen und Auskünfte zu allgemein zugänglichen Informationen
Sachzusammenhang
(was ist entstanden)
• Entwürfe, wenn sie das Stadium Mitzeichnung / Abzeichnung erreicht haben und in den Geschäftsgang gegeben werden („geschäftsöffentlich“)
• Dokumentation einer Entscheidung
• Dokumente in erster Vorabstimmung oder Zwischenstände, die noch nicht entscheidungsrelevant oder persönlich sind
• Erster persönlicher Entwurf, der noch keinen geschäftsöffentlichen Status erlangt hat
Bearbeitungszusammenhang
(wie ist es entstanden, wer war beteiligt)
• Dokumentation des Entscheidungsprozesses
• Dokumentation des Entstehungsprozesses (auch aus Arbeits- und Projektgruppen)
• Individuelle, informelle und kollegiale Ab- und Rücksprachen, die nicht entscheidungsrelevant sind
• Terminkoordination


Weiterführende Literatur